In Bayern einzigartig - Ein Übungsdeich als Gemeinschaftsprojekt der Hilfsorganisationen im Landkreis Kelheim


Der niederbayerische Landkreis Kelheim, der vom zweitgrößten Strom Europas, der Donau, durchflossen wird und in dem der Main-Donau-Kanal in die Donau mündet, hat in seiner Geschichte einige bedeutende Hochwasserereignisse zu verzeichnen. Beispielhaft hierfür können die in jüngster Zeit besonders schwerwiegenden Hochwasserereignisse in den Jahren 1999, 2002, 2005 und 2013 genannt werden.

Die vergangenen Ereignisse haben gezeigt, dass ein Hochwasser viele verschiedene Einsatzschwerpunkte mit sich bringt. Unter anderem können auch wasserbauliche Schutzbauten, wie Hochwasserdeiche die über einen längeren Zeitraum enormen Wassermassen ausgesetzt sind, betroffen sein.

Um den daraus drohenden Gefahren für Mensch und Natur bestmöglich vorzubeugen, wurde ein umfangreiches Schulungskonzept für die Einsatzkräfte der verschiedenen Hilfsorganisationen entwickelt, da bislang kaum unter annähernd realistischen Bedingungen geübt werden konnte.

In Zusammenarbeit der Freiwilligen Feuerwehren, dem Ortsverband des Technischen Hilfswerkes und den Ortsgruppen der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschafft des Landkreises Kelheim entstand das Projekt zur Errichtung eines Übungsdeiches, welches mit Unterstützung des Wasserwirtschaftsamtes Landshut realisiert werden konnte. Der in Bayern einzigartige Übungsdeich befindet sich in Neustadt a. d. Donau, unweit der Stelle des Dammbruches während des Pfingsthochwassers 1999.

Der 150 Meter lange und 15 Meter breite Übungsdeich wird von einem Rohrleitungssystem durchzogen, welches mittels einfacher Tragkraftspritzen mit Wasser aus der nahegelegenen Ilm, einem kleinen Nebenfluss der Donau, gespeist werden kann. Somit ist es möglich, verschiedene Szenarien wie einen luftseitigen Wasseraustritt und eine wasserseitige Ausspülung des Deiches unter realistischen Bedingungen zu darzustellen. Zudem kann auch die Überspülung des Deiches dargestellt werden.

Durch die am Projekt beteiligten Organisationen wurden in zahlreichen Arbeitsstunden denkbare Einsatzszenarien sowie die Vorgehensweisen zur deren Bekämpfung ausgearbeitet.  Dabei entstand der Lehrgang zur Deichverteidigung, der sich über drei Tage mit insgesamt 15 Ausbildungsstunden in Theorie und Praxis erstreckt.

Den Lehrgangsteilnehmern und -teilnehmerinnen wurden zu Beginn des Lehrgangs die theoretischen Grundkenntnisse zu der allgemeinen baulichen Struktur der wasserbaulichen Schutzbauten, die möglichen Schäden samt deren Ursachen und Auswirkungen, der Einsatzstellenlogistik sowie die richtigen Anwendungsmöglichkeiten und Techniken zur Platzierung der Sandsäcke vermittelt. Besonderer Wert wurde dabei auch auf die  an der Schadenstelle erforderlichen Eigensicherungsmaßnahmen gelegt.

Zu Beginn der praktischen Ausbildung mussten zunächst 700 Sandsäcke in möglichst kurzer Zeit befüllt werden. Dabei wurden verschiedene Möglichkeiten erläutert, die angewandt werden können, wenn maschinelle Hilfsmittel wie automatisierte Sandsackabfüllanlagen nicht oder in nicht ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.

An fünf Stationen wurde die Effizienz der Befüllung mittels Betonmischer, mit einem Fülltrichter bestehend aus Verkehrsleitkegeln verbunden mit einem klassischem Leiterbock sowie über ein Füllrohr in Form eines Kanalgrundrohres (KG-Rohr) erprobt. Ebenso wurde die Zeit- und Personalaufwändigere Befüllung mit einfachen Schaufeln trainiert.

Am Übungsdeich angekommen waren verschiedene Aufgabenstellungen zu bewältigen. Zunächst mussten die gefüllten Sandsäcke von den Transportfahrzeugen zur Schadenstelle verbracht werden. Da es aufgrund der  individuellen geographischen Gegebenheiten einer jeden Einsatzstelle nicht immer möglich ist, mit den Einsatzfahrzeugen direkt an die Einsatzstelle zu fahren, wurde zum Transport der Sandsäcke eine Helferkette gebildet.

An der ersten Station wurde eine lokale wasserseitige Beschädigung am Deich angenommen, welche es abzudichten galt. Dies wurde mittels Folien und Sandsäcken umgesetzt. Die Materialien wurden von Tauchern übernommen und direkt an der beschädigten Stelle eingebracht. Sofern sich die Erosion des umliegenden Deiches in Grenzen hält, kann diese Methode eines punktuellen Leckverschlusses  eine durchaus wirkungsvolle erste Notmaßnahme darstellen.

An der nächsten Station  wurde das Überströmen des Deiches simuliert. Diese Aufgabe konnte mit der Errichtung eines 50 cm hohen Sandsackdammes auf der Deichkrone bewältigt werden.

Die Sicherung des Deichfußes war als nächstes sicherzustellen. Diese dient der zusätzlichen luftseitigen Sicherung eines durch Wasserdruck, Aufweichung und Durchsickerung belasteten Deiches. Dabei wurde die Böschung des betroffenen Bereiches mit Planen ausgelegt und als Gegenlast mit Sandsäcken beschwert.

An den letzten beiden Stationen wurde ein punktueller luftseitiger Wasseraustritt dargestellt, wobei den Teilnehmern die Bedeutung von klarem und trübem Sickerwasser sowie die erforderlichen Gegenmaßnahmen erläutert wurden. Um einer weiteren Ausspülung des Deiches entgegenzuwirken wurde eine Quellkade errichtet, wobei durch das aufgefangene Wasser ein Gegendruck erzeugt und somit der weitere Wasseraustritt verhindert wurde.

Im Rahmen des ersten Lehrgangs wurden insgesamt 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus den Feuerwehren, dem THW und der DLRG des Landkreises Kelheim geschult. Aufgrund der durchwegs positiven Resonanz und hohen Akzeptanz aller Teilnehmer wird dieser Lehrgang seinen festen Platz in Lehrgangsstruktur des Landkreises Kelheim finden.